Webstandards und ihre wirtschaftlichen Vorteile

The Business Value of Web Standards
Jeffrey Veen, 18. September 2003
Übersetzer: Britta Glatten 20. Februar 2004

Ich engagiere mich für die Webstandard-Community, seitdem ich auf dem Gebiet des World Wide Web tätig bin. Schon seit langem bin ich davon überzeugt, dass beim Webdesign die Einhaltung der W3C-Webstandards der einzig richtige Weg ist. Als ein Redesign der adaptivepath.com-Website anstand, haben wir uns darauf geeinigt, das Projekt von der Standard-Perspektive aus anzugehen. Bevor es an die eigentliche Umsetzung ging, haben wir darüber diskutiert, ob diese Anstrengung – und es bedeutete eine solche – sich wirklich lohnt.

Sicherlich würde ein standard-konformes Site-Redesign unsere Glaubwürdigkeit bei den Anhängern von Webstandards erhöhen. Aber Branchen-Auszeichnungen außen vor gelassen, wie wichtig ist die Standardisierung für ein einzelnes Unternehmen wie das unsere? Können Organisationen durch die Einführung von Standards einen Return on Investment erwarten? Zahlt sich die Umstellung auf XHTML und CSS finanziell aus? Die Antwort auf diese Fragen ist ein eindeutiges Ja.

Kurze Entwicklungszeit

Auch wenn die Einfachheit der Entwicklung von HTML-Seiten ganz eindeutig zum Wachstum des Webs beigetragen hat, war sie ebenso ein Fluch. Die Fehlertoleranz der Webbrowser hat zu einem System des Pseudo-Codes beigesteuert, der mit unzähligen Best Practices aus der Programmierwelt bricht.

Viele unserer Kunden haben in dem Versuch, möglichst vielen Anwendern ein perfektes visuelles Design präsentieren zu können, mehrere Versionen ihrer Sites entwickelt. Für unser Unternehmen stellten wir uns eine Serie von HTML-Seiten, ein Stylesheet und eine wesentlich kürzere Entwicklungszeit vor. Da inzwischen 95 Prozent der adaptive path-Nutzerschaft unsere Site mit standard-konformen Browsern besuchen, wussten wir, dass die Zeit für die Umstellung gekommen war.

Web-Standards verlangen nach einer Prüfung auf Fehler. Schon mit der Referenzierung der Version des eingesetzten HTML- oder XML-Codes werden Ihre Seiten daraufhin überprüft, ob sie die Spezifikationen erfüllen. Dieser Validierungsprozess macht HTML mit einer Skript-Sprache vergleichbar.

Der Prüfungsdurchlauf lokalisiert etwaige Fehler zielgenau. Dies reduziert die Zeit, die für Qualitätssicherung aufgewendet werden muss und sorgt für ein weitgehend einheitliches Erscheinungsbild auf allen Browsern. Die Darstellungs-Probleme aktueller Browser sind wesentlich geringer ausgeprägt als noch vor fünf Jahren.

Die Pflege vereinfachen, Entwicklungschancen erhöhen

Über Jahre hat die Webstandard-Gemeinschaft die Vorteile gepriesen, die eine Trennung von visuellem Design und Inhalten, die jedoch logisch mit den einzelnen Seiten verknüpft sind, mit sich bringt. Dieses führt zu einem sehr einfachen HTML-Code. Ein Großteil der XHTML-Seiten besteht aus wenig mehr als einer Folge von semantisch aussagekräftigen ‹div› und ‹p› Befehlen, die wiederum mit einem mächtigen CSS-Stylesheet verlinkt sind.

Diese klare Aufteilung erleichtert die Entwicklung und Pflege der Seiten erheblich, darüber hinaus entspricht sie der Auffassung vieler Teams, visuelles Design und redaktionelle Arbeit voneinander zu trennen.

Gerade eben haben wir für einen Kunden ein CSS-Stylesheet auf unseren Entwicklungsserver aufgespielt, während dieser bereits Site-Inhalte und Backend-Systeme entwickelte. Als wir das Design anpassten, konnten wir die Datei einfach bearbeiten ohne mit dem Versionierungs- und Release-System des Kunden abgleichen zu müssen. Durch diese Parallelentwicklung haben wir die Zeit bis zur Live-Schaltung dramatisch verkürzen können.

Eine kürzere Entwicklungszeit ist mit einem finanziellen und einem Wettbewerbsvorteil gleich zu setzen. Es ist nicht nur weniger kostenintensiv, sondern setzt auch früher Ressourcen wieder frei und erhöht damit die Entwicklungschancen.

Die Zahl der Zugangsmöglichkeiten erhöhen

Sauberer Code zahlt sich noch in anderer Beziehung aus. Browser, die keine standard-konforme CSS-Implementation anbieten, können die Styleangaben ignorieren. Mit anderen Worten, semantischer XHTML-Code kann von jedem Browser dargestellt werden – inklusive nicht-traditioneller Endgeräte wie Mobiltelefone, PDAs, Sprach-Interfaces und Screen-Leser, und von weiteren Clients, die die grundlegenden Befehlssätze unterstützen.

Eine Site, die den Standards genügt und schlank programmiert wurde, löst Probleme in Bezug auf den mobilen und barrierefreien Zugang und die Darstellbarkeit durch ältere Browser-Versionen.

Sie bekommen also all das, und Entwicklung und Pflege sind auch noch einfacher? Jawohl. Sie können sogar einen Teil der Fixkosten einsparen.

Verbindungskosten reduzieren

Mit dem Entfernen der Schriftangaben, HTML-Tabellen und Grafiken, die als Design-Elemente auf unserer Homepage verwendet wurden, reduzierten wir die Dateigröße des Codes von 20.9 KB auf 9.2 KB. Auch wenn die Differenz nicht so groß erscheint, würde sie sich in ihrer Summe auf einer sehr gut besuchten Site zu einer nennenswerten Last aufbauen.

Die von uns erreichte Bandbreiten-Reduzierung um 56 Prozent ist für eine Site mit einigen wenigen Tausend Seitenaufrufen am Tag kaum relevant, große kommerzielle Sites hingegen bewältigen diese Anfragen in ein oder zwei Minuten. Die beliebtesten Sites erreichen pro Tag oft Seitenaufrufe in zweistelliger Millionenhöhe.

Bei jedem Seitenaufruf 30 KB bis 40 KB einzusparen – mit einem zwischengespeicherten Stylesheet, das nur einmal heruntergeladen werden muss – kann Ihnen im Monat mehrere Tausend Dollar einsparen. Haben Sie je einen IT-Spezialisten gesehen, der ein neues Site-Design aufregend fand? Das werden Sie.

Die Erlebniswelt des Nutzers verbessern

Finanzielle Einsparungen lassen sich einfach quantifizieren, aber die Code-Verschlankung hat noch weitere Vorteile. Es ist kein Geheimnis, dass eine schnell ladende, abwechslungsreiche Site fast immer mit einer attraktiveren Erlebniswelt für den Anwender gleich zu setzen ist.

Speicherintensive Seiten durch enge Modem-Verbindungen zu quetschen, ist seit dem Beginn des World Wide Web ein Problem. Die zunehmende Verbreitung von Breitband-Anschlüssen hat hier nur wenig Abhilfe geschaffen. Ihr einziger Kommunikationskanal zu einem Neukunden kann die Verbindung eines Hotelanschlusses mit dem Notebook eines Geschäftsreisenden sein. Sauberer und standardisierter Code unterstützt den Anwender dabei, seine Ziele schnellstmöglich auf Ihrer Site zu erreichen.

Für die Umstellung argumentieren

Dies sind keine Formeln, mit denen der Return on Investment bei der Umstellung auf Standards bestimmt werden kann, aber sehr gute finanzielle Argumente. “Das ist gerade angesagt” sollte nicht Ihre einzige Erklärung für einen Wechsel zu XHTML und CSS sein.

Die ökonomischen Vorteile der Standardisierung sind greifbar. Sobald wir sie quantifizieren können, werden Unternehmen das wahre Versprechen des Webs zu realisieren beginnen – das Bereitstellen interoperabler Inhalte, die frei ausgetauscht werden können.

WolfNoeding — 20.02.04 16:58